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Elbvertiefung: Verfahren bleibt rechtswidrig / Ausgleichsmaßnahmen fehlerhaft

Elbvertiefung
Hamburg, 20. November 2019
Elbvertiefung:
Verfahren bleibt rechtswidrig / Ausgleichsmaßnahmen fehlerhaft
NDR-Film zeigt dramatische Verschlechterung an der Tideelbe
Die Umweltverbände BUND, NABU und WWF befürchten gravierende Verschlechterungen für die Flussökologie der Tideelbe und halten die derzeit laufende Elbvertiefung weiterhin für rechtswidrig. Bestätigt sehen sich die Verbände durch eine gestern ausgestrahlte Reportage des NDR („NaturNah – Gesucht wird: Der Schierlings-Wasserfenchel“), die aufzeigt, dass insbesondere der einzigartige Lebensraum des Schierlingswasserfenchels und damit das Ökosystem Tideelbe durch die erneute Vertiefung der Elbe bedroht ist. Außerdem wird deutlich, dass die vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen an der Billwerder Bucht kaum funktionieren werden.

Rückendeckung für ihre Rechtsauffassung erhalten die Umweltverbände auch durch einen aktualisierten Leitfaden der EU-Kommission (2019/ C 33/01) zur Auslegung der hier einschlägigen FFH-Richtlinie. Demnach müssen bei einer zu erwartenden Beeinträchtigung von entsprechend geschützten Arten die „besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse“ zur Beurteilung herangezogen werden. Weiterhin gibt der Leitfaden vor, dass der Erfolg von Ausgleichsmaßnahmen „gesichert“ sein muss. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
So basiert die zentrale Modellierung der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den Auswirkungen der Elbvertiefung weiterhin auf veralteten Daten aus 2006/2010. Die umstrittene Ausgleichsmaßnahme „Billwerder Bucht“ für den Schierlingswasserfenchel wird auch in Fachkreisen sehr kritisch gesehen. Ob der erforderliche Ausgleich für die prioritäre FFH-Art, die weltweit nur noch an der Hamburger Elbe vorkommt, funktioniert, ist mehr als ungewiss.

Als wichtiges Alarmzeichen für den sich laufend verschlechternden Zustand der Tideelbe ist der Rückgang des Stintes zu werten. Nachdem bereits die Elbfischer auf diesen seit vier Jahren anhaltenden Einbruch der Bestände hingewiesen haben, bestätigt jetzt eine neue Studie (https://www.stiftung-lebensraum-elbe.de/fbfiles/Gutachten/Bericht-Auswertung-Stintdaten.pdf) im Auftrag der Stiftung Lebensraum Elbe genau diese problematische Entwicklung.
„Es ist extrem kurzsichtig, dass die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium und im Hamburger Senat die sich weiter verschlechternde Situation der Tideelbe ignorieren und trotz explodierender Kosten an dem umstrittenen Projekt festhalten“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.
„Wir halten die Elbvertiefung für einen der größten Infrastrukturfehler, den es je gegeben hat. Hamburg liegt im Binnenland und der Fluss kann nicht beliebig vertieft werden. Alternativen sind vorhanden, die Flussökologie wird der Kleinstaaterei geopfert, anstatt eine norddeutsche Hafenkooperation auf den Weg zu bringen“, so Beatrice Claus vom WWF Deutschland.

„Für den Schierlingswasserfenchel hat Hamburg eine internationale Verantwortung. Es bedurfte erst eines Gerichtsentscheides, der den zuvor festgestellten „Etikettenschwindel“ verurteilte und es bleibt fraglich, ob die Nachbesserungen ausreichen. Ohne Verbandsklagerecht hätten wir den Planungsschwindel nicht enthüllen und die neuen Maßnahmen nicht überprüfen können. Wir sind fest entschlossen, die bedrohten Naturwerte auch vor Gericht zu verteidigen“, betont Alexander Porschke vom NABU Hamburg.
Eine entsprechende Klage des Aktionsbündnisses Lebendige Tideelbe aus BUND, NABU und WWF ist weiterhin beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Mit einem Verhandlungstermin wird im Laufe des nächsten Jahres gerechnet.

Zum Hintergrund:
Die Planung für die Elbvertiefung wurde vor mehr 16 Jahren auf den Weg gebracht. Damals war man von einem jährlichen Umschlag von 28 Mio. Containern im Jahr 2025 ausgegangen. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Unabhängig von der Elbvertiefung wird heute für das kommende Jahrzehnt nur noch ein Umschlagsvolumen von allenfalls 10 -12
Mio. Containern/a für realistisch gehalten. Das Projekt wird voraussichtlich etwa 900 Millionen Euro kosten und stellt den bislang größten Eingriff in das Ökosystem Tideelbe dar.

Gerade in den letzten vier Jahren haben sich wichtige Parameter der Flussökologie an der Tideelbe verändert. So ist der Tidenhub gestiegen, die Trübung der Elbe und die Lebensbedingungen etwa für die Fischfauna haben sich weiter verschlechtert. Dies wird
insbesondere am jährlich wiederkehrenden Sauerstoffloch und dem stark einbrechenden Stintbestand deutlich. Der Stint gilt als ökologische Leitart und stellt in seinen unterschiedlichen Stadien eine zentrale Nahrungsgrundlage für viele andere Organismen der Tideelbe dar.

Die gravierendsten Auswirkungen der Elbvertiefung sollen mit Unterwasserbauwerken im Mündungsbereich der Elbe abgemildert werden. Dort wird im Bereich der Medemrinne eine mehr als 620 Hektar große Ablagerungsstätte aufgebaut, die den Anstieg des Tidenhubs begrenzen soll. Experten wie der renommierte Wasserbauprofessor Ulrich Zanke halten diese Konstruktion im
hochdynamischen Mündungsbereich für nicht stabil.
Ansprechpartner*innen für die Presse:
Manfred Braasch, BUND Hamburg; T: 040 – 600 387-11, mobil: 0172 4083401
Birgit Hilmer, NABU Hamburg; T: 040-597089-35, mobil: 0162-3936462
Britta König, WWF Hamburg; 040 – 530200-318
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